Diesmal geht’s um mehr – oder auch nicht. #EP2014

Es gibt in der, nun online zu sehenden, Hier und Heute Reportage eine Szene, bei der ich in Bratislava mit Jean-Claude Juncker in seinem Wahlkampfbus sitze. Dort erklärte mir Juncker, warum diese Wahl etwas völlig anderes sei, als die Europawahlen zuvor: Der Kommissionspräsident würde nun von den Europäern gewählt werden.       
Juncker wirkte müde bei dem Interview. Neben uns saß seine nervöse Pressesprecherin, die hektisch auf ihrem Telefon tippte, einen „Juncker for President“ Button an ihrer Jacke trug und uns beständig an die schon vergangene Zeit erinnerte.
Eventuell lag es an dieser Umgebung, dass  mich kaum Begeisterung für diese
„Schicksalswahl“ packte. Wahrscheinlich aber daran, dass mir die Wahl des Kommissionspräsidenten, wie so viele Initiativen der EU, reine Klientelpolitik zu sein schien.  Aber jetzt hat diese Wahl es doch noch geschafft mich zu überraschen und etwas Unerwartetes erreicht: schicksalhaftes Versagen.

In Junckers Bus

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Warum Wahlen, wenn es auch einfacher geht? – Interview with a Slovak EU-Politician

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Von allen Menschen, mit denen ich in drei Wochen Slowakei sprach, geht ein Einziger eventuell wählen. „Wahlen? Was im Mai sind Wahlen? Nee. Das wüsste ich doch!“, war eine beliebte Reaktion, wenn ich nach den Europawahlen fragte. Sowie Katrien und Bea lehnte eigentlich niemand der EU komplett ab, die meisten fühlten sich unzureichend informiert und interessierten sich schlicht nicht für die Wahl.
Das deutschen Grundgesetz legt fest, dass es die Pflicht der Parteien ist an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. In Deutschland könnte man also sagen, dass die Parteien einem so unmotivierten Wählervolk zumindest eine Teilschuld haben.
Wie ist das in der Slowakei? Beunruhigt es slowakische Politiker, dass ihr Volk so europawahlmüde ist? Was tun sie dagegen?

Die Zauberformel „In Kooperation mit dem deutschen Fernsehen (WDR)“ wirkte ungeahnte Wunder bei den Interviewanfragen an slowakische EU-Politikerinnen und Politiker. Statt ein oder zwei lustloser Antworten sagten alle Angefragten sofort zu und bat mir mehrere Interviewtermine an. Meine Wahl fiel auf Boris Zala. Der 60 jährige sitzt seit 2009 im Europaparlament und wird dort wohl auch noch ein paar weitere Jahre verbringen. Außerdem ist es noch Philosophieprofessor und hat einen eindrucksvollen Bart sowie eine nette Assistentin. Eine kurze Umfrage im besten Hostel Bratislavas (Achtung, Schleichwerbung für das Wild Elephants Hostel!) ergab, dass die anwesenden Slowaken den Namen schon mal gehört hatten. Nach kurzer Überlegung brachten sie ihn mit dem Kampf gegen die stalinistische Regierung in den 1990ern in Verbindung und konnten ihn den Sozialdemokraten zuordnen.

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Der Tag, an dem die Wahlbenachrichtigung in der Marmelade landete

„Das könnte genauso gut chinesisch sein“, Katrien hält ein dünnes Heftchen in der Hand und versucht die Seiten umzublättern. Der Versuch scheitert und das Heftchen faltet sich auf zu einem großen Blatt Papier, so bedruckt, dass man es theoretisch wieder zusammenfalten und dann wohl auch umblättern könnte, zumindest sofern man die richtigen Ecken festhält. Die untere Ecke des Papiers ist das Glas mit der tiefroten Marmelade geflattert. Beim Versuch das Papier wieder zusammenzufalten hinterlässt die Marmelade kleine Flecken auf einigen Wörtern. Auf dem Papier stehen in vielen, kleingedruckten Blöcken Namen unter Parteilogos. Es ist die Wahlbenachrichtigung zur Europawahl. „Nicht ein Name sagt mir etwas, ein paar von den Parteien kenne ich vielleicht. Hier, das ist die Grüne Partei“, sie zeigt auf einen Block mit Namen,“Nummer Sechs auf der Liste ist eine Studentin. Das ist doch sympathisch. Wenn ich wählen gehe, dann wähle ich die.“

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Ich sitze auf dem Innenhof von Katriens kleinem Bauernhof und esse frischgebackenes Brot mit selbstgemachten Ziegenkäse und Marmelade. In den letzten Tagen hat es immer um exakt um ein Uhr angefangen zu regnen, heute strahlt die Sonne. Katrien habe ich über Workaway gefunden, dass heißt, eigentlich habe ich sie nicht gefunden, sondern ihre Nachbarn haben sie mir empfohlen. Drei von Katriens Nachbarn sind ebenfalls bei Workaway auf der Suche nach freiwilligen Helfern. Den Nachbarn hatte ich geschrieben, um dort zu arbeiten und mehr über die Slowakei und ihre Kultur zu erfahren. Katrien hatte ich nicht geschrieben, weil sie eigentlich aus Belgien kommt und somit durch mein „Slowakei-Raster“ fiel. Nachdem aber niemand der Nachbarn Zeit für mich hatte, und alle mich an Katrien weiterempfohlen, gab ich auf. Außerdem, was macht eine Belgierin auf einem entlegenen Bauernhof in den slowakischen Karpaten? Continue reading